Es ist Donnerstag. Immer freitags soll mein Blogpost erscheinen, aber ich finde keinen Anfang, schreibe die ersten Zeilen und lösche sie wieder. So geht das wohl drei Stunden. Ich kenne jedes Fleckchen Moos am Nachbardach und weiß nun auch, wann sich die Katze auf die Garage setzt. Ist das das, was die Profi-Schreiber eine Schreiblockade nennen? Wahrscheinlich nicht. Aber für alle Fälle probiere ich mal die Technik aus, die ich erst kürzlich durch einen Journalisten auf TikTok kennengelernt habe: Assoziatives Schreiben. Man schreibt und schreibt, bis man irgendwann in einen Flow kommt. Wenn einem nichts einfällt, schreibt man einfach „Mir fällt gerade Nichts ein“. Irgendwann sollen sich so viele Assoziationen gebildet haben, dass am Ende ein Bild rauskommt, dass man dann für einen Text verwenden und verknüpfen kann.
Also lege ich los. Das Thema im Februar ist Achtsamkeit & Gemütlichkeit. Ich frage mich, warum es so verdammt ungemütlich ist, obwohl ich nichts mache. Bei 1200 Wörtern angekommen nehme ich mir eine Pause. Rein aus SEO-Sicht könnte es wohl so bleiben. Schließlich soll ein guter Blogpost 1000 Wörter haben. Leider hatte ich während meines Schreib-Ergusses aus den Augen verloren, dass es auch etwas Sinnvolles sein darf. Sinn – ist ja schließlich mein Thema. Ich überfliege meinen Text und bin schockiert. Das ging mir durch den Kopf? Was ich da las, war viel mehr eine Abrechnung mit der Achtsamkeitsindustrie als ein Blogpost mit Mehrwert.
Heute ist Sonntag. Seit Donnerstag sitze ich täglich am Laptop. Achtsamkeit, Achtsamkeit, Gemütlichkeit. Irgendetwas nützliches muss doch da aus mir rauskommen. Ich meine, Achtsamkeit hat doch auch mein Leben verändert. Es fühlt sich aber an, als sei es eine Ewigkeit her. Überhaupt fühlt sich gerade alles an, als sei es eine Ewigkeit her. Dann doch mehr Gemütlichkeit? Jeder, der zu uns nach Hause kommt, sagt doch, wie gemütlich es bei uns sei. Aber was gibt es da zu erzählen? Das ich auf Hängepflanzen stehe und das Ecken immer ein rundes Element brauchen? Den Text von Donnerstag kann ich jedenfalls nicht posten. In meiner Psychodrama-Ausbildung habe ich viel über innere Anteile gelernt. So weiß ich, dass wir alle auch eine Menge an unschönen Anteilen in uns haben, auch wenn wir viele davon nur selten sehen. Aber will ich die fiese Frau, die am Donnerstag versucht hat, einen Blogpost zu schreiben, wirklich zeigen? Nein. Das schaue ich mir mal allein an. Mir egal, aber so kann ich das nicht lassen.
Ich tigere in die Küche. Vor 3 Wochen habe ich ein Rezept für veganen Zitronenkuchen entdeckt und schon viermal gebacken, weil er so unfassbar lecker ist. „Carina, du musst ganz neu denken“, gehe ich mit mir selbst in den Dialog, „versuche die Schönheit im Kleinen zu sehen – betrachte Achtsamkeit im Kontext von Zitronenkuchen“. Wenn meine Ideen noch besser werden, kann ich kaum mehr an mich halten. Was zum Henker ist denn bloß los mit mir? Habe ich wirklich nichts mehr zu sagen? Ehrlicherweise stelle ich fest, dass sich die ersten Anzeichen dafür schon im Januar gezeigt haben. Also, Anfang Januar.
Mein Kuchenteig bewegt sich als großer Klumpen durch die Rührmaschine und schlägt gegen die Seitenwände der Schüssel. Selbst die Gravitationskraft ist ratlos. „Irgendwie erinnerst du mich heute an mich selbst“, nicke ich dem Teig wohlwollend zu und frage mich, wie genau es mir gelang, einen Tag, der viermal perfekt war, so zu verkacken.
Und in dem Moment mir wird klar, warum ich vier Tage lang nichts zu sagen hatte und warum es eben doch möglich ist, einen Kontext zwischen Achtsamkeit und Zitronenkuchen herzustellen. Achtsamkeit bedeutet, im Hier und Jetzt zu sein. Den eigenen Atem zu spüren. Sich bewusst auf den Moment einlassen. Fühlen. Sein. Die Stille zu hören. Aber mal ehrlich: Gibt es wirklich irgendjemanden, der das in den vergangenen Wochen noch nicht gemacht hat? Haben wir uns nicht alle genug mit uns selbst beschäftigt?
Wir hatten alle genug Zeit und mir wird klar, dass es nun wieder Zeit wird, richtig zu leben. Lebendig uns spontan zu sein. Der Februar ist eigentlich noch einmal ein Rückzugs-Monat – zumindest, wenn man kein Fastnachts-Fan ist. Wir hatten aber genug Rückzug und Ruhephasen. Man vermutet, dass die kommerzielle Achtsamkeitspraxis mit der Digitalisierung bei uns eingekehrt ist. Als Antwort auf unser hektisches Leben und die 100.000 Einflüsse, denen wir ausgesetzt sind. Mein Zitronenkuchen gelang mir auch, solange ich Lust auf Backen hatte. Heute hatte ich nur Lust darauf, ihn zu essen. Und ich glaube, so ist es auch mit der Achtsamkeit. Wenn wir es aus Freude machen und als Ausgleich praktizieren, dann hat es einen Sinn in unserem Leben und dann gelingt es auch.
Egal, was wir tun. Es sollte immer einen Sinn für uns haben. Und damit wurde mir klar, warum dieser Post nicht freitags erscheinen konnte. Meine Schreibblockade, die keine war, war einfach nur eine Blockade. Ich kann nicht über etwas schreiben und so tun, als sei alles fein, denn das ist es nicht. Und ich kann nichts von Ruhe genießen erzählen, wenn ich weiß, dass es da draußen grade viele Menschen gibt, die sich einsam fühlen.
Wenn wir merken, dass wir gerade auf dem falschen Weg sind, uns festgefahren haben oder blockiert sind, dann dürfen wir die Richtung ändern und einen anderen Kurs einschlagen. Es funktioniert nicht, wenn wir entgegengesetzt unseres inneren Kompasses reisen, weil wir an etwas festhalten, dass sich wie Kuchenteig im Knethaken haftet. Denn ich glaube, wir alle wünschen uns den Frühling sehnlichst und dass es da draußen wieder etwas anders wird. Dann lass uns doch die Dinge loslassen, von denen wir glauben, sie müssten so sein.
Und, ist das nicht das Achtsamste, was wir tun können?
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